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15. April 2025

Entwicklungszusammenarbeit in Liechtenstein weniger umstritten

Beitrag von Sina Thöny, Liechtensteiner Vaterland,  Ausgabe vom 14.4.2025

 

Die Entwicklungszusammenarbeit steht international vor grossen Herausforderungen: In vielen Ländern werden Gelder gekürzt oder gar ganz gestrichen. Ein grober Einschnitt war nicht zuletzt die Auflösung der Behörde für Entwicklungszusammenarbeit der USA (USAID) durch die Trump-Regierung. Diese Entwicklungen haben aber nicht nur Auswirkungen auf die Entwicklungsarbeit an sich: «Das Aid-Bashing hinterlässt Spuren in der Wahrnehmung der Bevölkerung», so Co-Direktor von ETH-Nadel Fritz Brugger. Nadel ist ein Programm der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH), das zu globaler Zusammenarbeit und nachhaltiger Entwicklung forscht. Fritz Brugger sprach über die neueste Studie bei einem Vortrag während der Veranstaltung zum 60. Jubiläum des Liechtensteiner Entwicklungsdiensts (LED).

In dieser Studie befragte das Forschungsteam der ETH Nadel die Schweizer Bevölkerung zur Entwicklungsarbeit. Dies zeigte, dass die Zustimmung zur Erhöhung der  Entwicklungsgelder seit Beginn der Studie 2021 immer weiter abnimmt. Doch wie nimmt der LED die Unterstützung der Bevölkerung in Liechtenstein wahr?

 

Liechtenstein widersteht dem negativen Trend

Die Studie der ETH Nadel zeigt aber auch: Die Zustimmung zur Beibehaltung der aktuellen Beiträge in der Schweiz wächst, während der Wunsch auf eine Reduzierung der Entwicklungsgelder nicht gestiegen ist. Andreas Sicks, Geschäftsführer des LED, beurteilt diese Ergebnisse folgendermassen: «So­mit scheinen zumindest stabile Ausgaben in diesem Bereich ein Wunsch der Bevölkerung zu sein.» In Liechtenstein könnten die Erwartungen der Bevölkerung in etwa dieselben sein: «Eventuell ist der Anteil der Befürworter einer Erhöhung in Liechtenstein sogar eher grösser, da die Entwicklungszusammenarbeit in den politischen Lagern nicht so umstritten ist wie in der Schweiz», so Andreas Sicks. Ein positives Signal an die Bevölkerung ist auch die starke Unterstützung der Entwicklungsarbeit durch die Regierung in den letzten Jahren.

Im Gegensatz zur Schweiz: Am Mittwoch kürzte der Bundesrat seinen Beitrag für das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) um rund 13 Millionen Franken. In Liechtenstein stiegen die von Landtag und Regierung gesprochenen Gelder für den Entwicklungsdienst in den letzten Jahren: 2023 gab Liechtenstein 25,6 Millionen Franken für die internationale humanitäre Zusammenarbeit und Entwicklung aus. Letztes Jahr wurden die Beiträge nochmals erhöht. Trotz der guten Unterstützung im Land spürt auch der LED die Auswirkungen der Kürzungen der anderen Staaten, insbesondere das Wegfallen der USAID: «Auch einige der LED-Partnerorganisationen waren von den Streichungen betroffen und mussten zum Teil zahlreiche Angestellte entlassen, die in von USAID finanzierten Projekten gearbeitet haben.»

Die Entwicklungsarbeit in der Schweiz steht aber noch vor einem weiteren Problem: «Durch die oft mit Pauschalurteilen unterfütterte Diskussion über die Entwicklungszusammenarbeit gibt es eine Tendenz zu einer deutlichen Überschätzung der Pro-Kopf-Ausgaben», so Sicks zu den Ergebnissen der Studie. Rund 80 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer überschätzen die Ausgaben der Entwicklungszusammenarbeit um das zwei- bis achtfache. Wenn aber über die effektiven Ausgaben aufgeklärt wird, «wächst das Verständnis und die Zustimmung meist deutlich an», so Sicks. Diese Fehleinschätzung hat direkte Auswirkung auf die Diskussion um Erhöhung oder Reduktion der Entwicklungsausgabe: «Die ver­meintliche Notwendigkeit, Ausgaben zu kürzen, wird bei realistischer Einschätzung der Ausgaben relativiert», so der Geschäftsführer des LED.

Wie aber es aber um das Wissen und die Wahrnehmung der Liechtensteiner Bevölkerung steht, kann bisher nur gemutmasst werden. «Wir versuchen weiterhin, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und ihr unsere Arbeit nahezubringen», sagt Andreas Sicks. Über die Durchführung einer solchen Studie in Liechtenstein gäbe es aktuell noch keine Beschlüsse. Aber der LED und die politischen Entscheidungsträger werden sich in den nächsten Monaten mit dieser Frage auseinandersetzen.